Quantcast
Channel: binsenbrenner.de » Großbritannien
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

$
0
0

Von Frank Benedikt

In London und anderen Städten des Vereinigten Königreichs herrscht Aufruhr. In Griechenland und Spanien gibt es massive Proteste gegen “das System”, während dieses sich zunehmend in Forderungen nach Überwachung und Kontrolle ergeht, um “Terroristen” im Zaum zu halten. Sind diese Ereignisse isoliert zu betrachten?

Ich meine nein, denn wenn auch seitens der Demonstranten (noch) keine erkennbare politische Linie vorherrscht, so reagiert die “Staatsgewalt” doch nicht nur mit der üblichen Repression, sondern agiert wachsend furchtsam. So werden in Großbritannien auch schon mal die Anarchisten, längere Zeit nur noch als “Spinner” abgetan, ins Visier genommen – eine “Ehre”, die ihnen schon länger nicht mehr zuteil wurde. Seit Buenaventura Durrutis schmählichem Ende galten sie als “ausgeschaltet”, als “nicht mehr zu fürchten”, auch wenn der Anarchismus später noch weitere lokale bewaffnete Arme hervorbrachte, wie z.B. die “Bewegung 2. Juni”. Die Furcht, die einst ein Netschajew und seine Jünger in die Herzen der Mächtigen pflanzten, – sie war vergessen. Heute aber kehrt diese Furcht zurück, denn die Menschen erweisen sich zunehmend als “unkontrollierbar”, was nichts Überraschendes ist, würden sich “unsere Führer” einmal mit sozialer Entropie beschäftigen.

“Ordnung”, “Kontrolle” gar erfordern stets einen erheblichen Aufwand an Energie (hier auch: soziale Energie, Anm. d. A.) und je höher der Grad der Ordnung, desto höher der Aufwand an Energie zu ihrer Erhaltung. In einem begrenzten System aber ist auch die verfügbare Energie begrenzt; dies führt letzten Endes dazu, daß alle Versuche von “Kontrolle”, sprich: “totaler Ordnung” scheitern müssen. Dieses Prinzip aber scheint auch “der Herrschaft” nicht bewußt. Warum wohl sonst versucht sie, “die Kontrolle” zu behalten?

Zurück zum Anarchismus, der als einzige Ideologie das “Jahrhundert der Ideologien” (das 20.) weitgehend unkompromittiert überstanden hat. Ideologie? Nein, eher eine Philosophie und vielleicht deshalb so unzerstörbar. Der Wunsch nach Herrschaftsfreiheit und einer sozialen Gemeinschaft scheint tief in den Menschen verankert, wie auch meine Erfahrung hergibt. “Die Nachbarn” – die im Netz wie die in meiner Straße – äußern zunehmend “anarchistische Gedanken”, wenn ihnen das auch selbst oft noch gar nicht bewußt ist. Damit konfrontiert, lächeln sie meist verlegen. Welche Konsequenz hat dies alles?

Ich selbst, der “schwarze Mann”, kann heute “stolz” ins Gespräch einfließen lassen, daß ich ein “Anarchist” bin, wenn auch nicht von Netschajews fehlentwickelter Linie (Gewalt ist fast stets gleichzusetzen mit Machtanspruch). Das Feindbild des “langhaarigen Bombenwerfers” greift nicht mehr, vielleicht auch, weil inzwischen genügend andere Feindbilder propagiert werden. Der Anarchismus, in seiner syndikalistischen Ausprägung, bietet als einzige Organisationsform der sozialen Entropie eine minimale Angriffsfläche, da die Strukturen und Hierarchien – so vorhanden – optimal flach sind und wenig Energie zu ihre Erhaltung benötigen.

Was dies nun mit den “Riots” in London und anderswo zu tun hat? Direkt wenig, indirekt sehr viel. Auch hier wird, anläßlich einer noch ungeklärten Schießerei, ein weiteres Mal die Staatsmacht in Frage gestellt – ein Vorgang, der gerade seit den Tagen der “Eisernen Lady” Maggie Thatcher in Großbritannien so unüblich nicht ist. Der “Thatcherism” hat enorm dazu beigetragen, eine ganze Generation zu prekarisieren und zu spalten – die Ergebnisse werden vielleicht eben sichtbar. Das Land, das einst durchaus eine “Festung der Demokratie” war, ist zu einer Mischung aus Furcht, Unterdrückung und Kontrollversuchen verkommen. Woe to you, merry old England! Eric Arthur Blair (den meisten besser als George Orwell bekannt) würde seine schlimmsten Befürchtungen mehr als bestätigt sehen.

Gut nur, o Britannia, daß es auch in Deinen Gefilden Menschen gibt, die wissen, was es bedeutet, Mensch zu zu sein und deshalb versuchen, ihren Teil an Verantwortung zu übernehmen. Manche davon nennt man schnöde “Anarchisten” …

[fb]

P.s.: Eine gute Begleitmusik lieferten The Clash schon vor rund 30 Jahren: “White Riot

Share

Share


Viewing all articles
Browse latest Browse all 2

Latest Images





Latest Images